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Vätsari wilderness area (luontoon.fi) . YT-Video (fi) Ort/Zeit: Finnland / Lappland: Vätsari wilderness area // 20.08-30.08.2012, Feldzeit 21.08-28.08.2012 Route: [ Kirkenes - Näätäamö ] - Varisjärvi - Pakanajoki - Jankilla - Vuontisjärvet - Uutunajoki - Selkäjarvi - Karekkajärvi - Kirrakajärvi Vainospää - Sevettijärvi - Sollomusjoki - Sollomusjärvi - Sevettijärvi [ - Neiden - Stonga - Kirkenes ] |
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Reiseberichte 2004-2012 |
Prolog Während 2011 am Näätämöjoki wegen einiger medizinischer Probleme mehr das Kontemplative und das Fischen im Vordergrund standen, wollte ich es 2012 noch einmal wissen und suchte im Gebiet um Sevettijärvi nach einer sportlich / technisch etwas herausfordernden Route (jedenfalls aus Sicht eines 44-Jährigen). Es sollte diesmal südlich der R971 in die Vätsari wilderness area gehen, die selbigen Namen auch wirklich verdient: keine Hütten, keine markierten Wege, keine Leute. Nun, das sollte ich bekommen. Es gab zwar streckenweise eine "Spur", aber Spuren wollen gefunden werden, enden gern mal vor einem See, verlieren sich und fangen dann irgendwann wieder an. Entsprechend war die Streckenplanung via retkikarrta.fi aufwendiger als sonst, das Kartenblatt "Sevetti-Nuorgam" (Geo-Buchhandlung Kiel) widmet der VÄtsari lediglich einen 30x20cm großen Ausschnitt 1:100000, geschnitten durch die Grenze zu Norwegen bzw. Russland. Mein Etrex H versteht nur den finnische YKJ-Grid auf Basis Hayford, die Karte nutzt bei östlich von 27°30' den KKJ4-Grid, EURREF-FIN35 als finnische Variante des UTM auf Basis WGS84/ETRS89 gibt's nur in den ganz neuen Karten, ergo blieb mir nur mit geo-Länge/Breite zu arbeiten und das mit transdat in alle anderen Formate umzurechnen (vgl. Abbildung). |
Wie gesagt, der Aufwand lohnte sich, in diesem Wald sieht man entweder nichts oder alles sieht gleich aus (siehe unten, Blick in alle vier Richtungen), das ständige Auf und Ab im kleinen Bereich von 10, 15 Metern durch die felsigen Verwerfungen (freundlicherweise meistens quer zur Laufrichtung) machen Gehen auf Sicht praktisch unmöglich, die vielen kleinen Seen zwischendurch tun ein Übriges. Hier haben wird den konvexen Fall (=Irrtum, spitz zulaufend zum Wasser, umdrehen, zurück) und den konkaven Fall (=Hurra! da komme ich noch durch zwischen zwei Seen) : |
Von Kirkenes aus (Flieger landete erst 20:00 Uhr) bekam ich noch einen Lift bis kurz vor den Ausgangpunkt der Tour in Näätämö von
zwei Jungs, die hier seit zwei Jahren eine Stromleitung quer durch das Nichts bauten. Der Temperaturunterschied von Bremen (30 Grad)
zu Kirkenes (5 Grad abends) war wohltuend, das Gewicht des Rucksacks nicht (wie gesagt: 10 km Bürgerpark in Bremen sind was anderes
als 10 Km Pampa in Finnland). Am folgenden Morgen hinterließ ich meine Tourdaten samt Karte und GPS-Waypoint-Verzeichnis bei
Pekka von k-Market in Näätämö, der hier schon dreimal behilflich war. Leute, in diesem unscheinbaren Markt mit der einzigen
Tankstelle für die nächsten 150 km bis Kaamamen / Ivalo gibt es unvorstellbar leckere spare-ribs (hergestellt vor ort von seinem Vater); ein
nicht zu vernachlässigender Faktor bei meiner Startpunkt-Wahl, ich war hier schon das 5.te Mal. Pekka klärte mich noch über die Bärendichte
auf, als er hörte, dass ich diesmal südlich der R971 Richtung Pasvik unterwegs sein wollte (nun ja, bis Pasvik würde ich sicher nicht
kommen). Ab der Kaserne der finnischen Grenztruppen, nun ein "hotelli", ging es dann frisch los.
Nach einem eigentlich nicht langen, aber beschwerlichen Weg (s.u.) war die Enttäuschung groß: Der Pakanajoki war praktisch trocken, mit Fischen wird das nichts. Der Plan war, hier zwei Tage zu bleiben, und in Halb-Tagestouren die hier zusammenfließenden Flüsse (Uutunajoki, Fluss aus dem Routasenkuru) und Seen (Vuontisjärvi bis hinunter zum Porijärvi) abzulaufen und zu fischen. Gut dass ich mich nach den Erfahrungen von letztem jahr nicht nur aufs Fischen verlassen hatte und jede Menge real turmat dabei hatte. Der Preis dafür waren wieder die unvermeidlichen 30kg auf dem Rücken. Allerdings hatte ich bis auf das Nordisk tentwing als Vorzelt zum HB Unna im Falle von Dauerregen, einen kleinen Pack Ersatzteile und eine zugegebenermaßen übergroßen medizinischen Abteilung diesmal alles in Gebrauch, ich komme einfach nicht unter dieses Gewicht. Liegt vermutlich an recht voluminöser Kleidung / Schlafsack für einen voluminösen Mann :-) |
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Bei dem geringen Wasserstand und jeder Menge Rentiere muss man Wasser filtern, abkochen mit einem Trangia wäre ziemlich unökonomisch. Von Lemmingen und ihren Hinterlassenschaften wurde ich diese Jahr verschont. Der MSR kam hier zweimal täglich zum Einsatz und füllte einen Ortlieb-Wassersack, ich war ständig am trinken. Etwa 30 Minuten von Jankkila entfernt kommt man den Vuontisjärvi, einen See wie aus dem Reiseführer. Es gibt, großzügig definiert, sogar einen kleinen Streifen Sandstrand rundherum. Nett anzusehen, aber zum Baden zu kalt und wieder schlecht fürs Fischen (sehr flach abgehend). Etwas nervös macht mich nur, dass neben den klassischen Huf-Abdrücken des Rens, an den man sich aus jeder Stelle Matsch auf dem Weg schon gewöhnt hatte, auch andere Spuren mit einem Mitten-Ballen zu sehen waren. Ich hatte diesmal - angesichts der Nähe zum Pasvik - einen kleinen Knüllrucksack dabei, in den ich abends sämtliche Nahrung verpackte um sie gut ein Stück weg vom Zelt aufzuhängen. Wahrscheinlich unnötig, aber man weiss ja nie, und ich war solo. | |
Dritter Tag, mit der Angel den Uutanajoki fluss-aufwärts. Sehr steinig, aber man kommt gut 5 km direkt am Ufer lang. Es gab drei eher kleine Äschen, direkt aus einen Pool unterhalb des Wasserfalls. Grösseres war nicht zu kriegen, sofern überhaupt vorhanden, ich war in der letzten Woche der lizensierbaren Saison hier. Bei dem Gekraxel über die Steine hatte ich so den ein oder anderen Zweifel am Solo-Gehen, denn ohne handy-Empfang wär ein Sturz mit Verletzungsfolge nicht ganz ohne gewesen. Andererseits weiß man das vorher, und ich entscheide mich jedes Jahr ja wieder dafür: der Lohn ist eine grandiose Stille, ein unbedingtes mit-sich-selbst-sein, eine hohe (Selbst-)Aufmerksamkeit. Und halt eine gesunde Paranoia. | |
Angefangen hatte ich mit 4er-Mepps-Doppelspinner auf Hecht am See-Einfluss bei den Schilfzonen, wurde den Tag über immer kleiner und landete am Ende bei der Fliege am langen Vorfach vor der Wasserkugel (so wie das hier üblich ist). Für einen ganzen Tag, und in Gegensatz zum Näätämöjoki völlig einsamen Gegend war das (zu) wenig. Pilze gab es massig, aber das traute ich mich mangels Kenntnis und Erfahrung einfach nicht. Das rechte Photo zeigt die Plage der zu warmen Tagestemperatur: Fliegen. Hut und Netz waren zumindest beim Fischen und beim Kochen angesagt, und ehrlich: Essen mit Netz macht einfach keinen Spass. Kochen und Essen in einem HB Unna soll, so hört man gelegentlich im Forum, wohl möglich sein, aber das würd ich gern mal sehen (mit jemandem von meinen "Abmessungen"). | |
Die nächsten drei Tage bis zum Sollmusjärvi waren schwere Strecke, und die Aufmerksamkeit für lohnende Photo-Motive hat deutlich gelitten. Es war körperlich sehr befriedigend, das geschafft zu haben, sportlich klasse, aber landschaftlich bzw. vom Genuss der Natur her wenig ertragreich. Hier einmal während einer Trinkpause in alle Richtungen photographiert: | |
In der 1:1k-Karte war für diesen Teil sogar ein Pfad eingezeichnet, was aber eher den Charakter eine "recommended route" a la Grönland zu haben schien: besser gehst du da lang durchs Gestrüpp als anderso durch anderes Gestrüpp. Es ist aber immer wieder beruhigend, wenn man eine Spur (in richtiger Richtung) wiederfindet, und immer ist es beunruhigend, wenn sie sich teilen oder kreuzen, weil man einfach keine Sicht hat. Am fünften Tag hatte ich das GPS dauernd an, einfach um meine Relation zu den WP bewerten zu können und nicht um die ganzen Tümpel herum womöglich Schleifen zu gehen. Ab Sevetti bis Sollomusjärvi hat man dann diese netten Steinmännchen, allerdings erst ab 3 km nach Start, bis dahin sollte man sich per Kompass behelfen können, da es strikt in eine Richtung geht. Genau das war mein Fehler, denn nach 2 Stunden eher hilflosem Hoppeln durchs Gelände statt klarer Navigation stand ich vor einem Rentierzaun, der sich als Auffanglinie zur Peilung ewig hinzog. Als ich endlich durchs nächste Gatter war und den Versatz korrigiert hatte, ging das Spiel von vorne los. Es zeigte sich außerdem, dass nicht alle Wasserläufe so trocken waren wie der Pakanajoki. | |
Der Lohn der Mühe war die Sollomusjärvi Autiotupa, die einzige offene Hütte dieser Tour. Von Metsähallitus ausgestattet mit dem typischen Luxus von Gaskocher, Ofen mit geschlagenem Holz und dem berühmten Kompost-Toiletten-Häuschen in hinreichender Entfernung zur Hütte. Wie die ganze Tour über hatte ich alles für mich alleine, und beschloss zwei Tage zu bleiben und nochmal fischen zu gehen. | |
Die Gegend hat starke Verwerfungen, man geht oben auf dem "Kamm" und krabbelt dann hinunter ans Wasser (Ost/West), oder man hat flache, dafür sehr felsige Passagen (nord/süd). Gefangen habe ich eher in den kleinen Abfluss-Seen des Sollomusjärvi, allerdings nur Barsche. | |
Ohne Rucksack konnte ich den Sollomusjärvi bis zum Einfluss des Sollomusjoki entlang gehen und abends eine Spur zurück zur Hütte laufen, eine reine Freude ohne diese Last und Zeit für Photos. | |
Der Rückweg nach Sevettijärvi entsprach (alternativlos) zu 80% dem Hinweg, diesmal gewarnt in Sachen Rentierzaun brauchte ich 90 Minuten weniger :-) Dass man auf dem rechten Weg sein könnte, verspricht auch dieses Schild, das wirklich mitten im Gelände steht (bezieht sich auf die Skidoo-Strecke im Winter). An der Mündung des Sollomusjoki in den Sevettijärvi / Ukonselkäa gab's nochmal Äschen. Der krönende Abschluss des vorletzten Tags im Zelt war aber das Bierchen in der Sevetin baari, von meinem Lagerplatz in 20 Minuten zu erreichen. Abends kam noch ein letztes Mal der übliche Besuch vorbei. | |
Am Dienstag vormittag stand ich dann wieder an der R971 und wollte am selben Tag wenigstens bis Neiden
in Norwegen kommen. In Näätämö meldete ich mich bei Pekka wieder ab, nicht ohne
zum zweite Mal ausgiebig spare-ribs zu frühstücken. Der weitere Plan war, von der Kreuzung E6 / R971 in Norwegen
nach Bjoerneset zu laufen, um die Familie
mit ihren Malamutes zu besuchen, die mich letztes Jahr nicht nur von Näätämö aus mit
genommen hatten, sondern mir auch noch einen entspannten Abend mit Grillen auf der Terasse und äußerst
aufschlussreichen Gesprächen über die lokale Situation (Natur, Sami, Politk, Auswandern, huskies, etc.)
gegönnt hatten. Sie waren zu Hause, und wieder durfte ich Ihre große Gastfreundschaft erleben. Zum Abschied
bekam ich gar ein massives Stück Lachs für den letzten Abend. Nicht vergessen darf ich hier eine weitere Begegnung in Sevettijärvi, wo ich Monika und Walter traf. Sie sind seit 35 (!) Jahren im Norden unterwegs (Motorrad, nun PkW) und kannten so ziemlich alles und alle, die ich auch kannte hier oben (und ganz sicher eine Menge mehr). Man tauschte sich aus über Orte und Ausrüstung, und in mir kam schon ein bisschen Neid auf: soviele Reisen, Erlebnisse und Begegnungen zusammen erleben zu können, das ist schon was. Abends in der Sevetin baari traf man dann in Mitten einer Gruppe durchaus trinkfreudiger lokaler Kollegen auf eine Finnin, die - soviel zu meinem Fach, der Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik - neun Jahre in Bremen gelebt und an meiner Universität studiert hatte. Ihr Mann sprach auch etwas deutsch und konnte einen krassen bayrischen Akzent emulieren, weil er in Bayern Blockhäuser montiert hatte. Aufgemerkt: Sevetti liegt auch für finnische Verhältnisse am Rande des Nichts. Den letzten Abend verbrachte ich dann wie im letzten Jahr alleine im Zelt am Ufer der Barentssee in Höhe Stonga, 20 km vor Kirkenes und sah stundenlang auf's Meer. Nicht dass der Wald in Finnland nicht auch seine mystischen Momente hätte, aber diese Ansicht und den Wechsel der Blautöne nach Sonnenuntergang schlägt nichts. |
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